Man lebt plötzlich in einer dumpfen Welt, die schrecklich ist.
Obwohl alles, was man hört dumpf und taub ist, dröhnt es im Kopf, im Gehör. Es ist, als würde 24 Stunden eine lärmende Maschine neben einem laufen, die man gedämpft hört, wie ein permanentes Iiiiiiiiiiiii...

Man wird ganz dusselig, weil man das, was man hören soll, nicht hört, dafür aber 24 Stunden ein permanenter Lärm herrscht, der nur im Kopf/Ohr existiert.

Zu dieser dumpfen, gehörten Welt kommt noch das lähmende Gefühl der rechten Körperhälfte. Auch das ist ähnlich wie mit dem Hören: Alles ist taub, konkret vergleichbar mit einer Injektion beim Zahnarzt. Vor allem im Gesicht fühlt sich die rechte Seite an, wie wenn man beim Zahnarzt eine Injektion bekommen hat. Taub, kalt, empfindungslos.

Wenn irgendwann die ersten Sequenzen an Gefühl zurückkommen, spürt man es wieder genauso, wie wenn die Spritze vom Zahnarzt nachlässt langsam (nach der Behandlung), man hat kein Gefühl, und alles, was man fühlt, ist ein taubes Kribbeln, es fühlt sich kalt an, man hat keine wirkliche Kontrolle. Trinkt man, rinnt es oft daneben. Die Zunge ist schwer kontrollierbar. Man hat keine Empfindung, und doch. Es fühlt sich kalt an, man spürt, wo das Glas beim Trinken ansetzt, man kann irgendwie sprechen und essen. Die Frage ist nur wie.

In meiner Welt ist alles dumpf/gedämpft, langsam, die rechte Körperseite ist eingehüllt in etwas Kaltes, was mich erfasst hat, nicht mehr loslässt. Es fühlt sich an wie ein kalter Panzer, in dem ich mit der rechten Körperhälfte bis zur Mitte stecke und nicht raus kann. Auch fühlt es sich die ganze Zeit an, als hätte ich Seile um das Knie, den Oberschenkel und die Schulter gewickelt, die einschnüren. Man wünscht sich nur mehr, dass dieser Horrortrip aufhört!

 
VOR der MS
NACH der Kortison
Therapie

Mit Cortison kann ich keine Freundschaft schließen. Meine Haut beginnt zeitgleich mit der Einnahme des Kortisons super zu brennen, ich bekomme einen extremen Ausschlag im Gesicht,  an Händen, Hals, Dekolleté - Pickel wie ich sie in der Pubertät nicht hatte! Die Nächte sind auch keine Erholung, durch die ständigen Schlafunterbrechungen aufgrund von triefend schweißnassen Zuständen.

Dazu gesellen sich emotionsgeladene, reale Träume, in denen es sehr oft Explosionen gibt (Berge werden weggesprengt). Es hört nicht wirklich auf. Ich trinke sehr viel Wasser (seit dem Cortison verdurste ich fast), Besserung verläuft nur langsam und bedingt.  Eine schlimme Zeit, niemandem zu wünschen. Es folgt ein wochenlanger, übler Haarausfall.

Mein Körper ist über die gesamte rechte Seite von "Etwas" ergriffen, was nicht auslassen will. Es fühlt sich an wie ein 24stündiger Dauerkrampf über die gesamte rechte Körperseite, der nicht mehr aufhört. Hand, Bein, Gesicht, Brust-, Magen- & Darmbereich spüren sich nur noch taub an. Auch diese furchtbare Kälteempfindung ist schrecklich. Alles fühlt sich kalt und taub an, wie nicht dazu gehörend.

Irgendwann nach mehr als 3 Wochen permanenter Dauerbelastung (!) kam der ersehnte Tag. Es ging mit jedem Tag ein bisschen besser und die Taubheit nahm millimeter- bis zentimeterweise von links nach rechts ab! Wie es kam, so zog es sich zurück. Die Freude über das erste Wärmegefühl im Bein kann ich nicht beschreiben. Nun musste ich aber noch durch das "auftauen" durch. Wenn eine Injektion vom Zahnarzt langsam nachlässt, alles zu kribbeln beginnt, permanent wie 1000de Nadeln bei jeder geringsten Bewegung, sogar im Ruhezustand, ist alles diffus, konfus und konträr. Einerseits spürt man nichts mehr, andererseits spürt man viel zu viel im Vergleich zum normalen Empfinden.  Aber es ist wie eine Neugeburt!!! Dankbarkeit über die Erlösung macht sich breit in mir...

Gegen das Gefühl im Kopf/Ohr kann ich leider nichts tun, außer hoffen, dass dies wieder aufhört. Das ist das Zermürbendste an dieser Krankheit. Wenn man seine Beine nicht spüren kann oder wieder gehen und greifen lernen muss, ist das eine Schwierigkeit. Aber das Schlimmste ist dieses Kopf- & Gehörsdesaster. Dieser permanente "Lärm", obwohl alles dumpf, taub und wie in Watte gepackt ist. Sagt wer neben einem etwas, hört man es nicht, weil dieser klingende Dauerton alles übertönt.

Es ist schwierig, dies in Worte zu fassen und ist total anstrengend, man ermüdet rasch. Vor allem wird alles, was man tut zur Schwerarbeit. Man hat das Gefühl, nichts mehr tun zu können, keine Leistung bringen zu können. Nicht zuviel - keine 3 Dinge auf einmal koordinieren. Man muss froh sein, wenn man Eins nach dem Anderen auf die Reihe bekommt, und das fordert höchste Konzentration.

Gehen, Glas nehmen, Wasserhahn aufdrehen, Eins nach dem Anderen. Es wird alles wie in Zeitlupe. Normale Tätigkeiten, gewohnte Anforderungen werden zu Schwerstanforderungen. Richtig schlimm. Man fühlt sich behindert und trotzdem ist man soooo froh, wieder gehen zu können, irgendetwas tun zu können. Insgesamt gesehen ist alles äußerst anstrengend, wirr und gruselig. Würde man so aussehen, wie man sich fühlt, wie man sich empfindet und wahrnimmt - könnte man sofort als Geisterbahnfigur zu arbeiten beginnen. Wenn ich mich im Spiegel ansehe, sieht es zum Glück nicht soo schlimm aus.